#Geschichte

Wattwil: Ein Zentrum entsteht. Zusammengefasst von Hans Büchler.

Der Wattwiler Historiker Hans Büchler fasst die Geschichte der Entstehung von Wattwil in diesem Text zusammen und gibt Einblicke wie sich Wattwil vom früheren Wattinwilare ins heutige Wattwil entwickelt hat.

VERKEHR UND KIRCHE

Die erstmalige Nennung des Ortes finden wir in einer Urkunde der Abtei St. Gallen aus dem Jahr 897. Darin vermacht ein freier Landmann seinen Besitz dem Kloster St. Gallen und erhält diesen als Erbpacht wieder zurück. Er bezahlt dafür einen jährlichen Zins an die Kirche in Wattinwilare. Der Name des Ortes nimmt Bezug auf den Hof eines alemannischen Siedlers namens «Watto». Das Dorf entstand nicht in der sonnigen «Wis» mit ihren Furten an der Thur, sondern an einer vom Nordwind geschützten Stelle am Dorfbach in sicherem Abstand zum wilden Thurlauf. Hier entstand mit dem Bau der Pfarrkirche auch das kirchliche Zentrum eines Gebietes, das sich ursprünglich vom Engnis von Starkenbach bis Bütschwil und von Mogelsberg bis über den Ricken hinaus erstreckte. Die Kirche wird in Urkunden auch häufig als Abgabeort für Zehnten und Zinsen erwähnt. In Wattwil kreuzte sich die Verkehrsachse entlang der Thur mit jener vom Rickensattel und führte über Heiterswil ins Neckertal und ins Appenzellerland. Von Wattwil war der Weg offen nach Wil, endete aber im obersten Toggenburg bis ins 18. Jahrhundert in einer Art «Sack». 1712 führte der Plan zum Ausbau einer neuen Rickenstrasse sogar zum Toggenburger Krieg, einem Streit zwischen katholischen und evangelischen Eidgenossen. Wattwil blieb bis zum Untergang der Alten Eidgenossenschaft 1798 ein frühindustrialisiertes Bauerndorf. Verwaltungszentrum und Marktort für die Grafen und die Abtei St. Gallen war Lichtensteig, das einzige ummauerte Städtchen im Toggenburg.

 

ZENTRUM DER WIRTSCHAFT

Nach 1750 hatten die schnell wachsenden Baum- wollmanufakturen die Leinenweberei verdrängt. Mit Schwergewicht in Wattwil nahmen dutzende von Fabriken ihren Betrieb zur Produktion von Buntwebereiartikeln auf. Sie exportierten die «Toggenburger Tüechli» zunächst in den Nahen Osten, später nach Indien, Lateinamerika, Indonesien, Japan und Afrika. Die Unternehmen der Familien Anderegg und Raschle holten erste Preise an Weltausstellungen. Neben kleineren Industriebetrieben wuchs die Textilfärberei und -druckerei Heberlein im 20. Jahrhundert dank neuer Erfindungen zu einem bedeutenden Schweizer Unternehmen. Wattwil und das mittlere Toggenburg entwickeln sich gegenwärtig weiter zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort. Unternehmerisches Denken führte 1863 zur Gründung der Toggenburger Bank, heute UBS. Um den Anschluss an das Schweizer Eisenbahnnetz nicht zu verlieren, konnte 1870 die Toggenburger Bahn nach Wil und 1910 die Linie St. Gallen-Wattwil-Luzern eröffnet werden.

 

ZENTRUM FÜR SCHULEN UND MEDIZIN

Neben der Entwicklung des Volksschulwesens entstand auf der Risi in Wattwil eine Ausbildungsstätte für Lehrpersonen. Aus der Webschule in Wattwil wurde die Schweiz. Textilfachschule, die Wattwil zusammen mit der Kantonsschule, dem Berufs- und Weiterbildungszentrum, der Heilpädagogischen Schule und dem Sprachförderzentrum zum regionalen Bildungszentrum macht. Dank blühender Wirtschaft und steigendem Wohlstand konnte 1890 das Gemeindespital eröffnet werden, welches ursprünglich auch dem Linthgebiet diente.

Hans büchler

historiker

Hans Büchler, 1942 geboren und in Wattwil wohnhaft. Seit der Gründung der Kantonsschule Wattwil im Jahr 1970 war er bis zur Pensionierung Gymnasiallehrer für Geschichte und Latein und fast 27 Jahre auch nebenamtlicher Leiter des Toggenburger Regionalmuseums in Lichtensteig. Als Autor von zahlreichen historischen, volkskundlichen und alpinen Publikationen zum Toggenburg, den Kantonen St.Gallen und den beiden Appenzell sowie für das Toggenburger Jahrbuch ist er bis heute mit vollem Elan tätig.

Als Alemanne zählte Watto zu einer ethnisch heterogenen Gruppe, die ab dem 4. Jh. in die heutige Schweiz eingewandert ist. Die Alemannen siedelten bevorzugt auf Einzelhöfen oder in kleinen Dörfern mit grosszügigen Abständen zwischen den einzelnen Häusern. Ortsbezeichnungen mit -wil (oder wyl) deu- ten darauf hin, dass es sich bei Wattinwilare eher um eine vergleichsweise junge Siedlung handelt. Ihre Häuser errichteten die Ale- mannen aus Holz und Lehm. Die mit Stroh gedeckten Giebeldächer waren tief hinuntergezogen. Eigentliche Fenster kannten sie nicht, der Rauch vom offenen Steinherd zog durch eine Luke im Giebel ab. Die Innenausstattung war schon recht reichlich: Stühle aus Baumklötzen, Banktruhen, Tisch, Bettstellen mit Stroh und Fellen. Die Kleider wurden auf senkrechten Webstühlen gewebt. Wie die Kelten benutzten die Germanen auch Fibeln, um die Kleidung zusammenzuhalten.

 

 

 

 

 

 

#Entdecken

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